Reinhard Kleist: Johnny Cash

Als Reinhard Kleist 2005 den Trailer zum Kinofilm Walk the Line sah, hatte er seine Comicbiografie über Johnny Cash bereits komplett vorgezeichnet und dachte: “Ach du Scheiße, da macht ja einer genau das Gleiche wie ich!“ Auch Regisseur James Mangold (Indiana Jones V) setzt Cashs Auftritt im Gefängnis Folsom, der 1968 dessen Comeback einleitete, als große Klammer für sein Biopic ein.

Doch insgesamt hat der Film nur wenig Gemeinsamkeiten mit Kleists Comic. Mangold konzentriert sich auf Cashs Liebesgeschichte mit June Carter sowie einen wohl eher frei erfundenen Vater-Sohn-Konflikt. Reinhard Kleists erzählerischer Ansatz hingegen geht stärker in die Tiefe, wobei jedoch bedacht werden muss, dass ein Comic episodenhafter als ein (kommerziell orientierter) Film sein darf.

Reinhard Kleist: Cash - I see a Darkness

Als Johnny Cash im Folsom State Prison auftrat, sang er auch ein Stück namens Greystone Chapel. Diesen Song hatte ihm am Tag vor dem Konzert der Gefängnisgeistliche überbracht und er stammt von Glen Sherley, der in Folsom wegen einiger bewaffneter Raubüberfälle einsaß. Diesen Häftling setzt Kleist als Erzähler ein.

Einen zusätzlichen Reiz erhält der Comic dadurch, dass einige Songs wie I shot a Man in Reno just to watch him die oder A Boy named Sue sehr stimmungsvoll als Comic-Shortstories umgesetzt wurden. Doch all dies wäre nur die halbe Miete, wenn Reinhard Kleist (Der Boxer. Der Traum von Olympia) nicht ein derart begnadeter Schwarzweiß-Zeichner und Bild-Erzähler wäre.

Während sich Comicbiografien (genau wie Comics zum Film) meist darauf konzentrieren, die Hauptfiguren möglichst realistisch abzubilden, beschränkt sich Kleist nicht darauf markante Situationen aneinander zu reihen, sondern bietet eine ebenso spannende wie eigene Version.

Nach 17 Jahren erscheint der Comic in einer gebundenen Neuausgabe, die sich im Bücherregal gut neben Kleists im selben etwas größeren Format veröffentlichten Comicbiografien zu David Bowie und Nick Cave macht. Diese Edition verfügt über einen Anhang mit zahlreichen farbigen Illustrationen.

Wichtiger ist jedoch, dass Kleist seinen Comic jetzt mit einer Schmuckfarbe versehen hat, die ich als leicht grünliches Ocker bezeichnen würde. Dies geschah allerdings nur bei den biografischen Passagen und nicht bei den als Comics adaptierten Songs. Diese Neubearbeitung macht den ohnehin schon großartigen Comic noch lesenswerter!

Heiner Lünstedt

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